Viele Eltern, aber auch Lehrer, kämpfen täglich mit Kindern und Jugendlichen, die einfach nicht lernen wollen, und verzweifeln manchmal daran. Besonders zu Hause kann das Problem zu großer Frustration und sogar Streit führen. In diesem Beitrag soll kurz über die sogenannte „Lernunlust“ aufgeklärt werden und ein paar praktische Tipps zur Hand gegeben werden.
Lernunlust liegt häufig darin, dass die Kinder in ihrem natürlichen Lernen bewertet, korrigiert und sanktioniert werden und dadurch ihre innere Motivation verlieren. Oft können auch emotionale Barrieren oder Schwierigkeiten dahinterstecken, die wenig mit Schule an sich zu tun haben, wie z.B. Herausforderungen während der Pubertät oder Belastungen im sozialen Miteinander mit anderen Schülerinnen und Schülern. Da die Ursachen sehr unterschiedlichen Ursprungs sein können, gilt grundsätzlich die goldene Regel: Immer mit dem Kind sprechen und ganz offen und ehrlich über Emotionen und Probleme reden. Ein Abstempeln als „faul“ ist nämlich der falsche Weg.
Wer kennt das nicht? Man vermeidet unangenehmen Dingen gerne, geht ihnen aus dem Weg, schiebt sie auf. Wieso? Richtig. Weil sie eben unangenehm sind, und das ist bei Kindern nicht anders. Hier ein Fallbeispiel:
Anna hat eine anstehende Arbeit und sitzt vor ihren Büchern, doch schon nach kurzer Zeit fühlt sie sich schwer und träge, da sie Schwierigkeiten hat und ihr Grundlagen fehlen. Ein Unlustgefühl macht sich breit. Um sich dieses negativen Gefühls zu entledigen, schaltet Anna den Fernseher an und schaut ihre Lieblingsserie weiter, in die sie tief eintauchen kann. Gleich geht es ihr viel besser.
Nach ein paar Stunden denkt sie jedoch wieder an den anstehenden Test und Angst macht sich breit. Sie bekommt Schuldgefühle und versucht sich wieder an den Schreibtisch zu setzten. Ihre Eltern kommen in ihr Zimmer und wollen Annas Lernfortschritt sehen, da sie schon in der Vergangenheit mit Lernschwierigkeiten zu kämpfen hatte.
Annas Verzweiflung und Überforderung steigt und sie fängt an zu weinen. Die Eltern bekommen mit Anna Mitleid und raten ihr, eine Pause zu machen. Annas Schwester Lea kommt nun auch hinzu und tröstet Anna. Doch Anna reagiert mit Trotz und will allein gelassen werden.
In diesem kurzen, aber alltäglichen Szenario laufen einige Dinge schief.
Annas Ausgangssituation ist bereits schwierig, da sie beim Lernen keine Hilfe bekommt, sondern allein gelassen wird und sich als Folge versucht der Frustration zu entledigen.
Forschungen haben ergeben, dass sich sogenannte peer-to-peer-help, also Hilfe von Schülern zu Schülern in Lerngruppen oder Tandems, besonders effektiv gestaltet. Die meist Gleichaltrigen befinden sich nämlich in einer ähnlichen Lernsituation und können die Erfahrungswelt viel besser nachvollziehen als ein Erwachsener. Weiterhin besteht hier kein Be- oder gar Abwerten von oben herab, also von einer Lehrperson oder einem Erwachsenen, von dem sich Kinder oft abgeschreckt fühlen. Auch der emotionale Zugang ist wesentlich einfacher, sodass eine bessere Stütze gegeben werden kann. Denn nicht nur die fachliche Vermittlung darf eine Rolle spielen, sondern mindestens zur Hälfte, so empfehlen es Lernpsychologen, auch die emotionale Unterstützung. Diese ist oft nur unterschwellig wahrnehmbar und passiert von ganz allein, sofern sich die Lernenden gut verstehen.
Den gleichen Effekt kann auch das „tutoring“, also die Nachhilfe, haben, da hier meist ältere, außerhalb des Schulkontexts stehende und nicht evaluierende Personen Unterstützung leisten und somit die gleichen Kriterien wie bei der peer-to-peer-help erfüllen.
Die Eltern, die Annas Lernfortschritt überprüfen wollen, verschlimmern die Situation zusätzlich, da sie eine sogenannte Kontrollerwartung haben, die wiederum von einer Kontrollüberzeugung ausgeht. Das bedeutet, dass die Erwartung besteht, eine Handlung erfolgreich auszuführen und dass eine Handlung dann auch ein gewünschtes Resultat hat. Diese zieht allerdings auch eine Misserfolgserwartung nach sich (d.h. die Prüfung nicht zu bestehen). Dies Kontrolle wird bei den Lernenden als Norm wahrgenommen, sprich, es ist üblich und normal zu bestehen und unüblich bzw. abnormal nicht zu bestehen. Die eigene Wahrnehmung und das Selbstwertgefühl sinken dadurch und das Kind empfindet schnell Emotionen wie Schuld, Scham oder Herabwürdigung.
Aus diesen Kontrollhandlungen und resultierenden Emotionen entwickelt sich schnell ein Teufelskreis, aus dem die Familie nicht mehr rauskommt und der allen Beteiligten nur schadet.
Eine wichtige Voraussetzung ist also zunächst, sich der Kontrollerwartung bewusst zu werden und diese zu hinterfragen. Bei dem oben genannten Beispiel der peer-to-peer-help wird beispielsweise die „Kontrolle“ insofern abgegeben, dass das Kind in einer anderen Lernatmosphäre ist und es erst gar nicht zu dem Szenario kommt, dass die Eltern den „Lernraum“ kontrollieren müssen.
Wichtig ist nämlich, dass der Lernende ein gut strukturiertes, aber angenehmes Lernumfeld hat. Oft hilft es, das Kind örtlich aus der bereits vorbelasteten Umgebung zu holen, sei es Schule oder gar das eigene Zimmer, und es an einen „neutralen“ Lernort gehen zu lassen. Laut Lernpsychologie sind Umgebungen und Orte immer emotional behaftet und kognitiv ganz stark mit Erinnerungen und Erfahrungen der Lernenden gekoppelt. Falls sich ein Kind also schon in seinem eigenen Zimmer schlecht konzentrieren kann, sollte man diese Situation nicht einfach so lassen und erwarten, dass der Lernende irgendwie klarkommen muss, sondern gleich entgegenwirken.
Auch das sogenannte „Coaching“ hat in den vergangenen Jahren an Schulen immer größere Bedeutung gewonnen, wird allerdings ganz unterschiedlich angewendet und umgesetzt. Entwicklungsforscher haben festgestellt, dass Coaching neben dem eigentlichen Lernen ein wichtiger Bestandteil zum Erfolg ist, der mehr in den Fokus gerückt werden sollte. Was ist Coaching?
Coaches fungieren als beratende Personen, die Lernende hinsichtlich ihrer Lernstrukturen, Ziele und Lernstrategien beraten und unterstützen. Hierbei geht es in erster Linie darum, wie der Lernende lernt und wie man seine Situation verbessern kann. Beim Coaching werden immer Zielvereinbarungen aufgeschrieben. Wo will der Schüler oder die Schülerin hin und wie kann man das erreichen? Wo gibt es Schwierigkeiten und wie kann man diese lösen? Inwieweit kann man Strukturen aufbauen, die dem Lernenden effektiv helfen? Das Coaching ist eine starke emotionale Stütze und stellt einen Raum dar, in dem der Lernende ganz ohne Wertung auch über seine Misserfolgserlebnisse oder Frustrationserfahrungen reden kann. Ein hervorzuhebender Grundsatz ist: Erfolg und Misserfolg werden nicht als konträr betrachtet, sondern als ineinandergreifende und miteinander verwobene Geflechte. Ratsam ist auch, sich das als Elternteil bewusst zu machen und sich von Gedankenmustern zu trennen, die ausschließlich binär sind (d.h. es gibt entweder nur Erfolg oder Scheitern).
Coaching erfolgt meist durch Lehrerinnen und Lehrer, durch Pädagogen oder auch Sozialarbeiter, aber auch durch ältere Schülerinnen und Schüler. Oft wird es auch von Studentinnen und Studenten in Form einer Lernbegleitung angeboten. An Schulen kann man oft gezielt nach einem Lerncoach fragen, der sich regelmäßig mit dem Lernenden trifft und Beratung anbietet.
Auch wenn vielen Eltern die Inanspruchnahme eines Psychologen oder einer Psychologin nicht gerade leichtfällt, so ist es nichts, das einem in irgendeiner Form unangenehm sein müssten. Im Gegenteil.
Wie oben bereits genannt, können hinter der Lernunlust viele verschiedene Probleme stecken, die möglicherweise gar nichts mit Schule zu tun haben und auch nicht von Lehrerinnen und Lehrern oder Lernunterstützenden gelöst werden können, da diese keine fachpsychologische Ausbildung haben.
Falls ein Kind diverse Unterstützungsangebote nicht mehr wahrnehmen kann, ist professionelle psychologische Hilfe wichtig. Neben der Lernunlust gibt es nämlich auch „Lerndepressionen“, welche schwerwiegender sind und ernst genommen werden müssen.
Bei sogenannten Lerndepressionen gibt es verschiedene Anzeichen, die deutliche Merkmale von Depressionen aufweisen, die dahinterstecken. Oft schwänzen Betroffene hierbei die Schule, kommen morgens nicht aus dem Bett, können sich kaum noch zur Schule aufraffen und lernen nicht mehr. Ebenfalls ist ein Merkmal der soziale Rückzug.
An wen kann man sich in diesem Fall wenden? Hierfür kann man sich an den Klassenlehrer oder die Klassenlehrerin wenden, die einen an die entsprechenden Stellen weiterleiten. Außerdem gibt es auch Schulpsychologen oder Sozialarbeiter an Schulen und schulpsychologische Beratungsstellen, die man schnell im Internet findet.
Ein Kind ist nie einfach „faul“ und es steckt immer mehr dahinter. Druck, Kontrolle und Bewertungen von „oben“ führen zu Unlust und negativen Emotionen, wie Angst, Scham und Überforderung. Daher sollte man alte Verhaltensmuster überdenken und durchbrechen und sich Unterstützung holen. Als Eltern sollte man das Kind nicht allein lassen und erwarten, dass es irgendwann schon wird. Andererseits darf man sich als Elternteil auch selbst nicht überlasten und sollte lieber etwas Kontrolle abgeben. Zielvereinbarungen, positive Lernorte und emotionale Unterstützung sind ganz wichtige Faktoren und nicht vergessen: Das Kind auch loben oder belohnen für seine Fortschritte!
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(**Quelle: Trustpilot, Stand: 20.02.2023)