Das Kind leidet. Es wird in der Schule gehänselt, verspottet oder gar körperlich angegriffen. Mobbing gibt es in vielen Formen – doch was kann man dagegen tun? Ein Gespräch mit einer Mobbingforscherin.
Eine Klasse, 24 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 Jahren. Drei davon werden gemobbt.
So könnte eine Schulklasse in Deutschland aussehen, wenn man einen Blick auf die Pisa-Studie von 2015 wirft: Jede sechste Schülerin bzw. jeder sechster Schüler im Alter von 15 Jahren erlebt in Deutschland Mobbing – das war eines der zentralen Ergebnisse. Das Phänomen ist nicht neu und es gibt mittlerweile Präventionsangebote. Trotzdem leiden noch immer viele Kinder im Schulalltag an den Folgen von Mobbing.
Eine Frau, die sich täglich mit Mobbing beschäftigt, ist Frau Prof. Dr. Mechthild Schäfer – Privatdozentin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie forscht zu Mobbing und definiert es als Strategie - als ein funktionales Verhalten zum Erlangen von Macht. Wichtig beim Mobben: Der Kontext spielt eine Bedeutung – nicht die Person. Daher gibt es laut Schäfer auch kein Opferprofil, das vermehrt auftritt:
„Man kann in der Grundschule Opfer gewesen sein und in der weiterführenden Schule in einen Kontext kommen, wo das überhaupt keine Frage ist. Es hängt von der Anwesenheit einer Täterin bzw. eines Täters ab und davon, wie der Kontext reagiert. Wird erlaubt, dass gemobbt wird? Oder sagt der Kontext (z.B. die Schule): Wenn wir eine Schulpflicht haben, dann brauchen wir auch eine Sicherheitsgarantie.“
Mit Sicherheitsgarantie meint Frau Prof. Dr. Schäfer, dass ein Schulkind durch das Mobben nicht zu Schaden kommen dürfte - und verweist damit auf Artikel 2 im Grundgesetz:
„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. […]“
Laut Schäfer ist diese Unversehrtheit durch Mobbing massiv eingeschränkt.
Mobbing zeigt sich in vielen Formen: Verbal, durch verletzende Aussagen wie „Du Opfer“, physisch, zum Beispiel durch Schlagen, oder auch relational, durch das bewusste Ausschließen aus Gruppen.
Cybermobbing – also das Mobben im digitalen Raum, meist in sozialen Netzwerken – wird seit einigen Jahren mit einer steigenden Anzahl an Betroffenen immer häufiger zum Thema. Laut Statistischem Bundesamt waren im Jahr 2010 23 Prozent der befragten Jugendlichen Opfer von Cybermobbing. Zehn Jahre später waren es schon 38 Prozent.
Laut Prof. Dr. Schäfer soll Cybermobbing jedoch nicht als Einzelphänomen wahrgenommen werden, denn wer Opfer von Mobbing im Cyberspace ist, ist auch häufig im realen Leben davon betroffen.
Was kann also getan werden, wenn in der Schule gemobbt wird? Die Professorin sagt: „Eltern können dabei nur wenig helfen.“ Denn die Situation wird meist nur verschlechtert, wenn Eltern mit dem Täterkind sprechen. Warum? Das Opfer wird womöglich als noch schwächer wahrgenommen, weil es nicht für sich selbst sprechen kann.
Der wichtigste Satz, den man Betroffenen sagen kann, ist laut Schäfer:
„Du bist nicht Schuld. Es hat nichts mit dir zu tun.“
Die Aufgabe, um Mobbing von vorneherein zu verhindern, liegt ganz klar bei der Schule und bei den Lehrkräften, sagt Prof. Dr. Schäfer. Von opferfokussierten Methoden sollte Abstand genommen werden. Mobbing ist ein strukturelles Phänomen – daher muss die gesamte Klasse miteinbezogen werden:
„Es gibt 60 Prozent in einer Klasse, die Mobbing eigentlich doof finden – die das aber nicht immer voneinander wissen. Also muss ich mit Moderation und mit Elementen arbeiten, die sichtbar machen, was die oder der Einzelne denkt. Denn wir orientieren uns zum Schutz der Gruppe aneinander (auch Konformität genannt). Im Fall von Mobbing ist das aber oftmals fatal, weil man sich dann an den Tätern orientiert."
Wer sich am besten mit Mobbing auskennt, sind die Schülerinnen und Schüler selbst. Sie erleben das Phänomen jeden Tag und wissen, wie die Abläufe funktionieren. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Lehrkräfte eine moderierende Rolle einnehmen, wenn es zu Mobbing in der Klasse kommt.
Eine beispielhafte Situation könnte laut Prof. Dr. Schäfer so aussehen:
„Es ist etwas durch die Klasse geflogen und wie durch Zufall hat es das Opfer abbekommen. Setze die Kinder in einen Kreis und anstatt zu fragen: Wer war das? - Damit hätten die Täter ja schon wieder die Deutungshoheit – besser fragen: Was ist gerade passiert? Die Kinder und Jugendlichen reden irgendwann. Dann hören sie voneinander, wer was wie wahrgenommen hat. Und das Opfer hört das. Die Schülerinnen und Schüler bekommen dadurch ein Verständnis für die Situation.“
So etwas nennt man laut der Expertin eine „starke Situation“. Die Aufmerksamkeit wird auf die Handlung gelegt und den Täterinnen oder Tätern wird die Dominanz über die Situation entzogen.
Hilfreiche Konzepte, wie man Mobbing an Schulen präventiv entgegenwirken kann, gibt es bereits. Das Projekt „zammgrauft“ des Polizeipräsidiums Münchens findet Frau Prof. Dr. Schäfer besonders gut. Dabei wird unter anderem die Bedeutung von Gemeinschaft, Zivilcourage, Gewalt und das Phänomen Mobbing thematisiert sowie Strategien dagegen entwickelt. Auch das Programm „Mobbing&Du“ bietet Hilfe, um Mobbing an Schulen zu verhindern. Entwickelt wurde es von der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Heidelberg in Zusammenarbeit mit der Baden-Württemberg Stiftung.
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*Der 14-tägige Test umfasst eine gratis Probestunde
(**Quelle: Trustpilot, Stand: 20.02.2023)